Die große Resonanz bei den Mitgliedern und die Vielzahl der Gäste haben den Ruf der Villinger Larvenkultur, auf deren Spuren wir uns am 18. Oktober 2015 begaben, mit Sicherheit unterstrichen. Herzlich wurden wir vom 1. Zunftmeister der Historischen Narrozunft Villingen, Joachim Wöhrle, an dem noch „blutjungen“ Tag in Empfang genommen. Aufgrund unserer Anzahl wurden wir in zwei Gruppen durch die in Eigenregie aufwendig und sehr gelungen renovierte Zehntscheuer geführt. Auf unserem Weg bis hoch zum Dachboden gab es immer wieder Historisches und Kurioses zu bestaunen. Wieder unten angekommen, ging es gemeinsam zu den weiteren, nicht nur fasnetlichen, Sehenswürdigkeiten der ehemalige Zähringer- und Reichsstadt, welche uns von Ehrenratsherr Lambert Hermle kompetent und unterhaltsam näher gebracht wurden.
Im Pulvertürmle wurde die Mittagszeit rege genutzt um alte Bekanntschaften zu pflegen, sich auszutauschen und sich zu stärken, bevor in der Benediktinerkirche an der rekonstruierten Johann-Andreas-Silbermann-Orgel ein Nachtisch als auraler Genuss durch den Koch Georg, Bezirkskantor, serviert wurde. Die Auswahl von Komponisten aus der erweiterten Region und an Stücken, die in die Zeit des legendären, Ölmüller genannten, Dominikus Ackermann fielen, fügten sich hervorragend in den Tag.
Zurück in der Zehntscheuer näherten wir uns dem Kern der Sache, welchen Traugott Wöhrlin mit einem sehr fundierten und überaus spannenden Vortrag einläutete. Traugott Wöhrlin ist Mitglied in unserem Verein und gilt als einer der ganz großen und vielgefragten Schnitzer von Villinger Schemen, wie die Larven hier bezeichnet werden. Wir waren und sind sehr froh, ihn für diesen Vortrag gewonnen zu haben, den sich auch viele Mitglieder der Narrozunft nicht entgehen ließen. Er ging auf die Geschichte und die Besonderheiten ein, erklärte die Ursprünge der Schemen aus dem spätmittelalterlichen Theaterspiel und stellte auch die Verbindung der Villinger Larventypen zur italienischen ‚Commedia dell’arte‘ dar. Im Gegenzug dazu fasziniert ihn die Narroscheme als ästhetische Perfektion eines menschlichen Gesichts, ohne individuelle Züge oder Emotionen, wie es in der Natur so gar nicht vorkommt. Er veranschaulichte trotz der Vielfalt die Einzigartigkeit jeder Scheme, sowie die handwerkliche und künstlerische Qualität der Maskentypen und schilderte auch seinen eigenen Werdegang zum Schemenschnitzer. Weiter stellte er die bekanntesten und bedeutendsten Villinger Schnitzer der letzten vier Jahrhunderte anhand von Beispielbildern in seiner Präsentation vor, in der er auch die herausragende Rolle des weithin bekannten und leider kürzlich verstorbenen Manfred Merz beschrieb. Wo es angebracht schien, ließ er sich aber auch einige kritische Hinweise auf neuere Entwicklungen nicht nehmen.
Traugott Wöhrlin stellte zum Schluss auch sein neustes Buch mit dem Titel „Narro, Surhebel, Morbili & Co. – Wege und Einsichten eines Villinger Schemenschnitzers“ vor, welches diesen Vortrag umfassend ergänzt. Ein wirklich ausgezeichnetes und empfehlenswertes Buch mit vielen überraschenden Erkenntnissen und Einblicken in die Welt des großen Schemenschnitzers.
Nach diesem umfassenden Einstieg in die Kernthematik, konnte die bestens vorbereitete und durch die Narrozunft und die Mitglieder der Larvenfreunde vielfach bereicherte Larven- bzw. Schemenrunde besichtigt werden. Auch einige Stücke aus der Präsentation konnten hier in ihrer wahren Pracht bestaunt werden, welche auf Lichtbildern nie eingefangen werden kann. Es ist gelungen, eine Vielzahl von außergewöhnlichen Schemen zu präsentieren und die Resonanz war entsprechend großartig. Viele Details wurden hier entdeckt und einige Vergleiche konnten angestellt oder gar Parallelen zu dem gehörten Vortrag gezogen werden, so dass der Gesprächsstoff auch noch lange beim gemütlichen Ausklang im Gasthaus Ott anhielt und so manchen Brauchtumsforscher noch weiter beschäftigen wird.
Unser großer Dank geht an die Historische Narrozunft Villingen für die Organisation und Bewirtung, allen voran an Zunftmeister Joachim Wöhrle und Stadtführer Lambert Hermle, an Organist Georg Koch sowie an unseren Sachkundigen Traugott Wöhrlin.
(Text: Martin Wernet)